Rebecca Martin Gesangspädagogik

Gesangspädagogik

Pädagogische Erfahrungen und Aktivitäten

Als ich 2003 die Einladung bekam, an der Hochschule für Musik in Nürnberg einen Lehrauftrag zu bekleiden, freute ich mich sehr über die Möglichkeit, meine künstlerische und berufliche Erfahrung weiter zu geben. Ich unterrichtete von Anfang an Studierenden im Hauptfach Gesang (künstlerische Ausbildung) und führte sie bis zum Diplom, sowie zum Bachelor- und Master-Abschluss. In der Fachgruppe für Gesang und in den Prüfungskommissionen an der Nürnberger Musikhochschule bin ich ständiges Mitglied.  Der Austausch mit Kollegen, sowie die intensive Kooperation in der Ausgestaltung der Unterrichtskonzepte sind mir ein wichtiges Anliegen.

In meinen Unterricht fließen meine langjährige Erfahrungen aus allen Bereichen des klassischen Gesangs:  Ensemble- und Sologesang, Oper und Kirchenmusik, viele Liederabende und Kammermusik, Erfahrung in fast allen Gesangssprachen und Stilrichtungen, Aufnahmen in großen und kleinen Besetzungen,  sowie ein Klavierstudium.

Für mich liegen die Schwerpunkte im Unterricht auf eine freie und flexible Stimmführung mit einer lebendigen Körperhaltung, passendes Repertoire und den Umgang mit verschiedenen Stilmitteln.

Ein persönlicher Höhepunkt für mich an der Musikhochschule war ein aufregendes Projekt der vokalen zeitgenössischen Musik (16. Mai 2017), „Jenseits der Arie“ im Rahmen des Festivals Aktueller Musik der Musikhochschule Nürnberg, die ich konzipiert und geleitet habe.  Die enorme solistische, musikalische und organisatorische Leistung wurde begeistert auf- und angenommen.  Das Programm--mit Werken von George Crumb, Karin Rhenqvist, und Luciano Berio-- wurde von etwa 25 Mitwirkenden aus den verschiedenen Gesangs- und Instrumentalklassen aufgeführt.

Auch die Einladung, einen Meisterkurs für junge Sänger und Sängerinnen im argentinischen Córdoba zu geben war ein unglaublich bereicherndes Erlebnis.  Im Rahmen des Gesangfestivals „Töne 2017“ konnte ich mit15 fantastischen Kursteilnehmern für eine Woche intensiv arbeiten und dabei erstaunliche Entwicklungen begleiten.

Zusätzlich zum Gesangsunterricht an der Musikhochschule Nürnberg betreue ich den Profilschwerpunkt Aktueller Vokalmusik und den Englisch-Phonetik-Unterricht für die Jazzsängerinnen und führe regelmäßig Projekte und Klassenabende durch.

Wenn ich singe, kommuniziere ich
mit Körper, Geist und Seele

Gedanken zum Gesangsunterricht

Die Gesangsstudierenden oder -schülerInnen möchte ich von Anfang an als aufgerichtete, wache, denkende, fühlende und erzählende Menschen erleben. Mein Ziel ist es, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, in dem sie sich selber und ihr Gegenüber wahrnehmen können, in dem sie einen freieren Zugang zu ihrer eigenen Fantasie finden, und in dem sie die Macht ihre Fähigkeiten annehmen und einsetzen können. Es geht um die Ent- und Aufdeckung von Eigenschaften und Fähigkeiten, die sie schon in sich tragen.

Klang und Sprache
Das Stimmorgan ist ein Zusammenspiel von vielen Teilen, die auch andere Aufgaben bewältigen (Atmen, Schlucken, Gähnen, Nießen, Hecheln, Schmecken und Riechen), und die nur in der Bewegung und der Verbindung zueinander als ein Organ zu verstehen sind. Nur durch die koordinierte Arbeit der großen und kleinen Muskulatur, der Anspannung und Entspannung, der Atmung bis zu den Kehl- und Mundbewegungen kann eine Gesangsstimme entstehen.

Sänger sind die einzigen Musiker, die die Aufgabe haben, einen Text zu vermitteln. Unser Körper, unser Stimmorgan, unsere Klangvorstellung stehen im Dienst der Sprachvermittlung und der Kommunikation eines mehr oder weniger konkreten Inhalts. Anders gesagt, wir sind gleichzeitig mit dem „Bau“ und „Bespielung“ unseres Instrumentes, wie auch mit der emotionalen und intellektuellen Vermittlung der Musik und des Textes beschäftigt.

Die vielen Jahre auf der Opernbühne lehrten mir unglaublich viel über den Zusammenhang des körperlichen Ausdrucks zum Gesang. Man verbringt viel Zeit auf der Bühne, bei der man nicht nur selber singt, sondern auch anderen zuhört oder zuschaut. Beim Singen ist man dann meistens im Dialog mit anderen, oder man will (in der jeweiligen Rolle) etwas Bestimmtes ausdrücken oder erreichen. Die Arbeit mit sogenannten Subtexten ist unentbehrlich für die Anregung der Fantasie.

Von Beginn an sehe ich keinen Grund, die Technik von dem Ausdruck/Interpretation wirklich zu trennen. Jede Übung kann mit Begeisterung, Leidenschaft und Witz gesungen werden. Das Singen kann die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit des Sprechens haben. Durch dynamischen inneren---und manchmal äußeren---Bewegungen begleitet und unterstreicht der Körper stets die Musik.

Vorbilder und Mentoren

Für die Lehrer und Mentoren, die ich durch meine Studium und Gesangskarriere hatte bin ich unendlich dankbar.

Im Studium in den USA unterrichtete mich die großartige Kay Montgomery, die mir nicht nur alle ersten technischen und sängerischen Grundlagen beibrachte, sondern sie lebte als große Persönlichkeit vor, wie wichtig Ausstrahlung,  Ausdruck und Haltung für eine junge Sängerin sind. Sie gab mir den Mut, mir eine Zukunft als Sängerin überhaupt vorzustellen.

Gleichzeitig studierte ich Klavier bei Marvin Blickenstaff, einer der größten Pädagogen, die ich kenne.  Er weiß, die Schüler zu ermutigen und inspirieren, sodass sie immer neue, klare Ziele vor Augen haben.

In München studierte ich weiter Gesang bei Julia Faulkner, die meine technische Fähigkeiten so viel weiterbrachte und mich in die „große Welt der Oper“ schnuppern ließ.  Sie war Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper—und später an der Wiener Staatsoper-- wo ich durch sie große musikalische Abende erlebte.  Durch Julia hatte ich auch meine erste Begegnungen mit der genialen Körperarbeit von John Norris, die so umfassend und ungewöhnlich ist, dass ich sie schwer beschreiben kann.  Er hat auf jeden Fall einige der bis dahin tiefsten emotionalen Erlebnissen mit Gesang für mich möglich gemacht.

In dieser Zeit arbeitete ich mit dem Korrepetitor Donald Wages (auch von der Bayerischen Staatsoper).  Durch ihn lernte ich das musikalische Handwerk der Oper und war mit mehreren komplett-studierten Partien für mein erstes Solo-Engagement exzellent vorbereitet.

Eine kurze Zeit arbeitete ich intensiv bei Prof. Hanna Ludwig in Salzburg, die sowohl liebevoll als auch unerbittlich an den Sprung zur Bühne mit mir arbeitete.  Den ich dann auch schaffte!

Großes Glück habe ich bis heute mit Karin Mitzscherling (Dresden), die wie keine andere die Stimme, die Gesangstechnik und der singende Mensch versteht.  Wie sie selbst sagt, sie möchte, dass alle aus der Unterrichtsstunde mit dem „Gefühl von Sängerglück“ gehen.  Und so ist es auch!  Sie bringt mich bis heute in einen Zustand, in dem ich spüre, dass „alles“ funktioniert---mit Leichtigkeit!  Dazu bildet sie sich immer weiter und macht ständig neue Entdeckungen, die sie sofort weitergibt.  So bleibt sie für mich die beste Ratgeberin in allen Fragen des Gesangs und mein größtes Vorbild als Lehrerin.